Martin Schoeller

Martin Schoeller

Hier der Link zum Beitrag in der WDR Mediathek bis zum 07.03.2021

Beitrag für die WESTART / WDR vom 07.03.2020

Autor: Tim Lienhard – Kamera: Krzystof Hampel & Julien Praus – Schnitt: Andreas Fennel

Martin Schoeller ist ein Star unter den Porträtfotografen. Seine Agentin Anke Degenhard habe ich in den 90igern kennengelernt, damals war Anke Fotochefin der Zeitschrift MAX. Sie hat mir seither immer wieder aufregende Fotografen und Fotografinnen vorgestellt. Einige davon habe ich dann fürs Fernsehen portraitiert. So auch Martin Schoeller.

Martin lebt in New York City und das schon ziemlich lang (seit 25 Jahren). Als wir uns beim ersten Dreh in der Zeche Zollverein kennenlernten, das war im Januar 2020, war ich überrascht, dass ich seinen Vater kannte. Friedrich F.Schoeller begegnete ich nämlich 1988 bei den Filmfestspielen in Cannes. Er war dort verantwortlicher Redakteur für den Hessischen Rundfunk, ich war im Auftrag von Hansjürgen Rosenbauer für den WDR an der Croisette, der Promenade von Cannes.

32 Jahre später steht also plötzlich der Sohn des ehemaligen hr-Redakteurs vor mir und teilt mir mit, dass sein Vater gerade gestorben war, keine Woche zuvor.

Was für ein tragischer Zusammenhang. Martin Schoeller hatte im Januar und Februar 2020 nämlich gleich zwei große Auftritte mit zwei großen Ausstellungen in NRW.

Die zweite Schau nach der in der Zeche Zollverein (über die ich auch einen Beitrag für den WDR realisierte, Link zum Beitrag SURVIVORS auf meiner HP) hatte er im NRW Forum.

Das war eine Überblicksschau über Martin Schoellers Werk mit diversen Werkgruppen.
Am bekanntesten: CLOSE UP. Möglichst ehrlich und neutral. Das ist sein Markenzeichen.

Martin Schoeller sagt im Interview: „Immer versuche ich den gleichen Aufnahmewinkel zu finden und einen sehr neutralen Gesichtsausdruck zu erwischen.“

Nicht immer schmeichelhaft sind seine Fotos. Die Nahaufnahmen wollen ehrlich sein. Ein nüchterner Blick auf Angela Merkel, Barak Obama, Dolly Parton, Celine Dion und ganz viele andere. Auch Unbekannte, Obdachlose.

Der Obdachlose Antoine Perry aus Los Angeles, fotografiert von Martin Schoeller ©Martin Schoeller /Steidl Verlag

Das Verblüffende, die Obdachlosen sehen aus wie Stars so wie sie Martin Schoeller fotografiert und vor allem, wie er sie in eine Reihe mit all den Promis hängt, die er für internationale Magazine über viele Jahre hin fotografiert hat.

Martin Schoeller meint: „Ich finde die Gegenüberstellung spannend, um zu hinterfragen, was kann man in Gesichtern sehen? Kann man den Erfolg sehen? Kann man sehen, dass berühmte Menschen was Besonderes haben? Oder nicht?“

Die Obdachlose Winter Santiago aus Los Angeles, fotografiert von Martin Schoeller ©Martin Schoeller /Steidl Verlag

Martin Schoeller hat die Obdachlosen an einer Staßenecke in Hollywood fotografiert, wo sie kostenlos Essen bekommen. Darunter transsexuelle Sexarbeiterinnen. Zunächst postete er sie auf Instagram. Jetzt zeigt er manche von ihnen in einer eigens fotografierten Serie in der Ausstellung. „HOLLYWOOD“ nennt er sie – Nahaufnahmen auf dem Santa Monica Boulevard .

Martin Schoeller dazu: „Ich finde immer Randgruppen sehr spannend.
Ich find es immer am spannendsten, mit Menschen zu reden, die ein sehr schweres Leben haben, oder schwere Zeiten durchmachen, oder durchgemacht haben. Ich finde es viel spannender , mich mit einer Transgender Prostituierten zu unterhalten, als mit jemandem, der nur in einer Fernsehserie mitgespielt hat, ehrlich gesagt.“

Nichts gegen Fernsehstars, Drag Queens zum Beispiel. In seiner aktuellsten Serie hat er populäre Dragqueens aus den USA York fotografiert. In der Düsseldorfer Schau sind sie der Renner. Knallbunt, grell, überlebensgroß. Fasziniert hat ihn, wie sich Drag entwickelt. Keine Marilyn Monroe Kopie oder Madonna Imitation. Eigenständige, starke Persönlichkeiten sind das.

Drag-Star Acid Betty, fotografiert von Martin Schoeller © Martin Schoeller /Steidl Verlag

„Ich glaube, das hat sich jetzt so weiter entwickelt, dass es vielmehr um Individualität geht!“ sagt Martin Schoeller, „das ist mehr zu einer Performance Art geworden. Für mich ist es eigentlich eine Art Kunstform.
In der Wahl wie sie sich darstellen, steckt so viel Persönlichkeit, dass ich mich jetzt auch in dem Fall dazu entschieden habe, sie sehr neutral zu fotografieren.“

Als der 52-jährige Fotograf erfährt, dass auch ich (geboren 1960, also Senior) gerne als Drag Queen unterwegs bin, lädt er mich umgehend in sein Studio in New York City. Aber dann kam Corona… und die USA waren tabu. Solange bis es ein sicher typisches Martin Schoeller Portrait von mir in Drag gibt, nehme ich Vorlieb mit meinen Selfies….

Tim Lienhard im Februar 2020 in Drag © Tim Lienhard

„Wenn man im Showbusiness ist, oder im öffentlichen Leben steht, will man ja immer möglichst gut aussehen. Die meisten wollen zehn Jahre jünger aussehen und zehn Kilo leichter. Und da sind natürlich meine Fotos nicht sehr zuträglich. Ich bin ja kein Schönheitsfotograf und auch kein Modefotograf. Das wird ja auch nicht retuschiert.“ (Martin Schoeller)

Na da muss ich mich ja auf ein Abenteuer gefasst machen.

In der Düsseldorfer Schau im NRW Forum, verlängert bis 13.09.2020 wird einmal mehr deutlich, dass Drag Queens vom Randphänomen in die Mitte der Gesellschaft rücken, zumindest solange sie gesellschaftsfähig sind, also anständig und ein bisschen angepasst… Hauptsache Rampenlicht…