Florian Reinhards EXIT Fotos

Beitrag im ARTE JOURNAL vom 15.02.2022

https://www.arte.tv/de/videos/108196-000-A/fotografie-florian-reinhardts-exit-strategie/

Florian Reinhardt hat unzählige EXIT-Schilder fotografiert. International hat er damit auf dem Kunstmarkt Erfolg, aber auch persönlich hilft ihm seine Leidenschaft für EXIT-Zeichen als Überlebensstrategie.

Ich habe über ihn und seine Fotoarbeiten einen Beitrag für die Nachrichten von ARTE gemacht. Hier nun das vollständige Interview mit Florian Reinhardt, das wir in der Galerie BUCHKUNST in Berlin führten.

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Florian Reinhardt fotografierte auf internationalen Reisen über tausend EXIT Schilder. Dann wurde er damit von einem Galeristen in Miami entdeckt und ausgestellt. Nun hat der Künstler aus dem Bergischen Land beim Hochwasser 2021 sein Haus verloren und das war nicht der einzige Schicksalsschlag. Mithilfe seiner künstlerischen Arbeit konnte er aus dieser Not einen Ausweg finden.  EXIT scheint eine Strategie zu sein, die helfen kann.

Die Galerie Buchkunst in Berlin zeigt Florian Reinhardts Foto-Arbeiten von Mitte Februar bis Anfang Mai 2022

Dich hat es in 2021 ziemlich erwischt: Nicht nur, dass Dein Haus im Bergischen Land vom Hochwasser überflutet und gänzlich zerstört wurde, es starb wenig später auch noch Dein Vater. Hat Dir Deine Fotoserie da helfen können, rauszukommen aus den Tiefschlägen?

Ich hab meine Exit Strategie letztes Jahr anwenden können. Exit ist eigentlich unterbewusst zu mir gekommen als Kunstprojekt. Ich hatte die EXIT-Schilder unterbewusst fotografiert. Exit ist Schutz und Exit ist Hilfe und Exit ist eigentlich eine Option, das Leben frei zu gestalten. Zu sagen ok ich mach etwas, oder ich mach etwas nicht. Im letzten Jahr (20219 hab ich lernen müssen, oder dürfen, das für mich anzuwenden und dann zu sehen, ob ich das wirklich auch einhalten kann, wenn Dinge passieren im Leben. 

Allgemein beutet Exit für mich, dass es immer eine Option gibt im Leben, Dinge so zu machen, oder anders zu machen. Also ich kann entscheiden, ob ich mich in eine Richtung entwickle oder in eine andere Richtung. Exit ist eine Option, das Leben bewusst zu gestalten, im Hier und Jetzt zu entscheiden was ich mache. Exit hat mich im Leben oft beschützt und mir Kraft gegeben, zu wissen, ok, ich fokussier mich und dann entscheide ich wie ich was mache. Also ich entscheide das selber.

Das ist es, was Dir auch bei so persönlichen Unglücksfällen tatsächlich helfen kann?

Ich hab das im letzten Jahr für mich anwenden müssen. Exit ist ein Freiheit bejahendes Tool, was ich gelernt habe anzuwenden. Das Schild an sich, als industriell gefertigtes Zeichen bedeutet ja Schutz. Hier ist die Möglichkeit woanders hinzugehen. Als das mit dem Hochwasser passiert ist, ist es auch mir und meiner Familie passiert, dass das Hochwasser in unser Haus eingedrungen ist und mit ein Meter achtzig unser Haus und alles was in dem Haus war, sprich alles was wir besessen haben, was wir benutzt haben zum Leben, war mit einem Schlag weg.

Exit hat mir geholfen mit dem Hochwasser insofern umzugehen, als dass ich wusste, was zu tun ist. Ich hab mich darauf fokussiert. Ich hab mich entschlossen, nicht traurig zu sein, mich nicht darüber zu beschweren, was ich verloren habe, sondern zu sagen, ich pack das jetzt an, ich regel das.

Ich hab Exit nutzen können in der Situation, zu sehen, ok ich bin lebendig, mir geht es gut, ich habe eine Situation, die ist schwierig fürs Leben, aber es ist nicht lebensbedrohlich, und ich bin gesund und meine Familie ist gesund und ich will mich hier über gar nichts beschweren, weil das unangemessen ist. Es gibt Menschen, die haben alles verloren und die können sich nichts Neues kaufen und wir haben das Glück, eine Versicherung zu haben.

Exit ist für mich die Möglichkeit, mit Dingen umzugehen, die schwierig sind im Leben. Wenn ich etwas erreichen möchte, muss ich meine Komfortzone verlassen und muss einen Weg gehen. Also Exit ist eigentlich die Bewegung, das Leben stetig fortzuführen und Sachen gut zu machen.

Ist EXIT also mehr als bloss ein Zeichen?

Das ist ein Schutzzeichen, zu sagen, hier geht es raus, in der Gesellschaft.

Für mich selber ist es kein Schutzzeichen, sondern es beschützt mich die ganze Zeit und ich habe es anwenden können in schwierigen Situationen in meinem Leben.

Ich hätte mich wahrscheinlich auf Dinge fokussiert, was ich verloren habe, hätte mich total darüber abgefuckt was ich nicht mehr habe. Dass das Haus nicht mehr da ist, dass meine Kinder da nicht mehr wohnen können, meine Frau da nicht mehr wohnen kann, wir da nicht mehr wohnen können, nicht mehr da sein können. Aber ich muss es akzeptieren und ich kann es sowieso nicht ändern.

Exit ist genau das: ich kann es nicht ändern, ich muss ex akzeptieren, ich darf es akzeptieren und kann dann lernen, damit umzugehen und schauen, wie kann ich das Beste draus machen? Exit ist immer so der Option, das Beste aus seinem eigen Leben zu machen und selbst zu entscheiden.

Das Haus hab ich nicht selbst weggerissen, sonder das Wasser kam und hat mein Haus zerstört. Ich hatte darauf keinen Einfluss. Ich hab nur den Einfluss auf mich selber und wie ich reagiere und wie ich agiere. Und dabei hat mir mein Kunstprojekt extrem geholfen.

Auf was hattest Du geachtet, als Du die über tausend EXIT-Schilder weltweit fotografiert hast?

Für mich ist das Fotografieren von den Exit signs total spannend, oder war total spannend, da ich sie jetzt nicht mehr fotografiere.

Das Umfeld immer anders ist. Vermeintlich ist es immer dasselbe Zeichen, es ist immer derselbe Text, immer dasselbe Signal, aber es sieht halt immer anders aus.

Und keiner denkt darüber nach und diese ganzen Zeichen in der Öffentlichkeit im öffentlichen Raum, Details, die sehen wir, die sollen uns leiten, die sollen uns beschützen, aber es denkt keiner drüber nach und das fasziniert mich. Exit an sich ist für mich kein Notausgang.

Exit für mich ist eine Option, Schutz zu erfahren, zu wissen, es ist alles ok, solange du selbst bei Dir bist im Hier und Jetzt und die Zukunft gestaltest.

Exit ist Fortschritt, Entwicklung, nicht Stillstand, es ist eigentlich die Freiheit, etwas entscheiden zu können, weil wir eben frei sind.

Wenn man sich überlegt wieviel Menschen nicht frei sind, wieviele Krisenherde es auf der Welt gibt, wo Exit einfach keine Rolle spielen kann, weil es nicht angewandt werden kann, das war immer so, das wird immer so sein, das ist jetzt gerade auf der Welt an verschiedensten Orten so, 

Ich dreh es eher um. Für mich ist Exit nicht der Ausgang aus was Schlechtem, sondern ist eigentlich das Tool Dinge gut zu machen, ich versuche das zu flippen.

Das was die Leute vermeintlich in Exit sehen könnten, zu sagen, das ist ein Notausgang, das ist der Weg aus was Schlechtem raus, ich flipp das, für mich ist das einfach ein Entscheidungsmomentum alles so zu gestalteten, wie ich das frei möchte.

Exit ist wie auch ein Joker, Entscheidungen auszulösen und zu sagen, alles klar, wie mach ich’s wie mach ich’s richtig?

Soll Deine Exit-Strategie also geradezu eine eine philosophische Strategie sein?

Ich wende meine Kunst jeden Tag an, das ist tatsächlich so. Und ich stelle auch fest, dass es Menschen gibt, denen hilft das, für sich selber dann Dinge zu entscheiden und zu sagen ah ja, da hab ich lange mit mir gehadert, ich mach’s jetzt einfach.

Wie sieht es mit der reinen Ästhetik aus. Spielt diese von Sinnfälligkeit, Interpretation und Strategie abgesehen auch eine, wenn nicht die ursprünglich relevanteste Rolle?

Ich mag die Textur im öffentlichen Raum, aber eigentlich mag ich, dass das Wort immer gleich aussieht und dass es immer anders aussieht, drum herum.

Mir ging’s beim Fotografieren lange gar nicht um das Wort Exit, sondern eher um die Farben, um die surroundings, um das wo das war.

Auch um für mich ganz persönlich nochmal zu reflektieren, wo war ich da eigentlich?

Das sind 1.024 Fotos und ich weiß alle 1.024 Geschichten dazu für mich. Die Bilder bringen mich zurück in meine eigenen Erlebnisse.

Wenn man sich auf das eine Bild fokussiert , funktioniert das wie im Leben, man sieht klarer, wenn man sich konzentriert und erinnert.