Nennt mich Rembrandt

Nennt mich Rembrandt

Beitrag über die gleichnamige Ausstellung im Städel in Frankfurt am Main im Arte Journal vom 13.10.2021 in der Arte Mediathek bis zum 15.10.2022

https://www.arte.tv/de/videos/106061-000-A/ausstellung-nennt-mich-rembrandt/h

Rembrandt Ausstellung

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669) Die Blendung Simsons, 1636, 206 × 276 cm. Öl auf Leinwand

Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum – U. Edelmann

Beitrag: Tim Lienhard, Kamera: Jonas Müller, Schnitt: Julius Eisel

Rembrandt van Rijn gilt als der größte niederländische Künstler des 17.Jahrhunderts. „Nennt mich Rembrandt“ heisst eine aktuelle Ausstellung im Städel Museum in Frankfurt am Main. Einfach nur der Vorname also soll reichen. Wie selbstbewußt dieser Maler war, wie er sich mit anderen Zeitgenossen mass und in Konkurrenz zu ihnen stand, das sollen die Besucher anhand von 130 Werken erleben. 60 davon von Rembrandt. Leihgaben aus aller Welt.

Eine brutale Szene aus dem Alten Testament: Dem Helden Samson wird das Auge ausgestochen. Blut fliesst. Schmerzverzerrt der Ausdruck des Erblindenden. Drastisch in Szene gesetzt von Rembrandt, dem Superstar aus Amsterdam, 17.Jahrhundert.

O-Ton, Prof. Dr. Jochen Sander, Kurator

Rembrandt ist drastisch, Rembrandt ist nicht höfisch, verfeinert, ist nicht klassisch, ist nicht ein Anhänger einer Zurücknahme, sondern ganz im Gegenteil, er geht auf den Punkt. Er legt den Finger in die Wunde, oder er bohrt noch ein bisschen darin.“

Als Alleskönner wird Rembrandt in dieser Ausstellung präsentiert. Als einer, der nichts ausliess. Portraits, Genrebilder, Landschaften und Stilleben. Gegenübergestellt zum Vergleich mit Werken seiner Schüler und Konkurrenten. Aus der Blütezeit der reichsten Stadt Europas Mitte des 17.Jahrhunderts, dem bürgerlichen Amsterdam.

O-Ton, Prof. Dr. Jochen Sander, Kurator

Also das Bürgerliche , was in vielen Bildern Rembrandts auch auftaucht, dieses Naturalistische, dieses genau Hinguckende, dieses Beschreiben auch von dem, etwa von Stoff, von kostbaren Textilien, die die anhaben, das ist ja auch das, womit die auch handeln, also damit glaube ich, traf er einen Nerv der Zeit.“

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669)
Tronie eines Mannes mit Federbarett, um 1635–1640 Öl auf Holz, 62,5 × 47 cm
Mauritshuis, Den Haag
Foto: Mauritshuis, Den Haag

Dass er auch mit unserer Zeit einiges zu tun hat, beweisen seine unzähligen Selbstportraits . Das sind nicht nur Studien von Gesichtsausdrücken, das sind auch Selbstvergewisserungen, Selfies auf Papier und auf Leinwand.

O-Ton, Prof. Dr. Jochen Sander, Kurator

„Ein Influenzier war Rembrandt auf eine Art schon. Rembrandt war mit Sicherheit seiner Rolle, seiner Bedeutung, seines Könnens uneingeschränkt bewusst. Und da ist auch ein Stück Eitelkeit drin. Also wenn sie an unser Kampagnenmotiv, das wunderbare Portrait aus Berlin denken, das zeigt einen total selbstbewußten und sicherlich auch einen ein bißchen selbstverliebten Künstler.“

Rembrandt Harmensz van Rijn (1606–1669)
Selbstbildnis mit Samtbarett und einem Mantel mit Pelzkragen,1634 Eichenholz, 58,4 × 47,7 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie – Christoph Schmidt

Vor allem aber zeigt die Ausstellung einen souveränen Künstler. Einen der sich nicht scheut, die Realität, so wie er sie sieht abzubilden, ohne zu beschönigen. Einen, der sich sehr früh schon als Marke etabliert hat. Allein sein Vorname reichte als Markenzeichen: Rembrandt.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669)
Die drei Bäume, 1643
Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, 213 x 278mm Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum

Interview mit dem Kurator der Ausstellung NENNT MICH REMBRANDT im Städel Frankfurt am Main vom  06.10.2021- 30.01.2022

Prof. Dr. Jochen Sander 

WIR STEHEN HIER VOR EINEM DER PRUNKSTÜCKE IHRER AUSSTELLUNG, DAS AUS IHRER EIGENEN SAMMLUNG IST. IST DAS FÜR SIE AUCH EIN PRACHTWERK?

Ja, Rembrandts „Blendung“ ist natürlich ein kapitales Hauptwerk, keine Frage.

ZEIGEN SIE DAMIT NICHT NUR WIE STARK SIE SIND, SONDERN AUCH WIE STARK REMBRANDT WAR?

Wie stark wir sind als Museum? Wir sind froh, dass wir das Bild seit hundert Jahren haben, kein Frage, aber wir zeigen vor allen Dingen mit diesem Meisterwerk von Rembrandt und anderen Meisterwerken in vielerlei Beziehungen, die herausragende Position Rembrandts im Amsterdamer Kunstmarkt in den 1630iger und 40iger und vor allem 50iger Jahren, das ist das Thema unserer Ausstellung.  Da nimmt dieses Bild, ob’s nun von uns kommt, oder eine Leihgabe wäre, einfach eine gesetzte, zentrale Rolle ein.

IN DER PRESSEKONFERENZ HABEN SIE AUF EIN KLEINES BILDDETAIL HINGEWIESEN, WAS ICH GANZ INTERESSANT FAND. 

Na, gut die Geschichte stammt aus dem alten Testament. Samson, ein Richter mit übermenschlichen Kräften, der die Kräfte deshalb hat, weil er lange Haare hat und der sich nun unglücklicherweise in eine schöne Frau eines verfeindeten Volkes verliebt, Dalila. Gelegentlich ist die Lektüre des alten Testaments amüsant und unterhaltsam, Sex & Crime kann ich nur sagen, dann geht es darum, dass Dalila wissen will, warum bist du so stark? Er belügt sie und sie probiert es aus und stellt fest, du hast mich belogen, du liebst mich nicht und das macht sie zwei, drei Mal . Beim dritten Mal, so der Bibeltext, ist Samson erschöpft, er verrät es ihr, es sind die Haare. Und sie probiert es wieder aus, wahrscheinlich in der Annahme, naja , der belügt mich wieder, aber diesmal klappt es. Er hat ihr die Wahrheit gesagt und als sie ihre Standesgenossen, die Philister herbeiruft, können sie tatsächlich diesen bis dahin unüberwindbaren starken Mann niederwerfen. Sie schreiten sofort zur Tat, sie stechen ihm die Augen aus.

Wie Rembrandt das inszeniert, wie Rembrandt das ins Bild setzt, wie er beispielsweise eben nicht nur dieses grässliche Detail des zerstochenen Auges mit dem spritzenden Blut zeigt, sondern wie er sich überlegt, wie kann denn jetzt das in seiner Scherzhaftigkeit optimal visualisiert werden , verfällt er auf die großartige Idee, klar, der Mann hatte unglaubliche Schmerzen, die Zehen verkrampfen sich, der Fuss ist zuerst umgeworfen worden, er versucht irgendwie wieder sich zu befreien und zu strampeln und die Zehen verkrampfen sich, in diesem Moment, das ist wie eine Momentaufnahme. Aber wo setzt er den Fuß hin? Den könnte er in dem Bild an sehr verschiedenen Orten unterbringen, er setzt ihn, oder hinterlegt ihn genau mit dem Hemd, oder dem Ärmel des Gewandes der Dalila, dem hellsten Punkt im Bild. Dadurch wird das fast wie eine Silhouette und dadurch wird es noch eindrücklicher . Das ist ein kleiner Trick, aber eben ein typischer Trick, den Rembrandt anzuwenden versteht, um eben die Erzählung auf den Punkt zu setzen, uns wirklich unmittelbar anzupacken. 

DARAUS LEITE ICH AB, DASS SICH REMBRANDT SEHR GUT IN SEINE PROTAGONISTEN HINEINVERSETZEN KONNTE.

Vor allen Dingen kann er sich sehr gut hineinversetzen in die Gefühlslage der Figuren, die er malt. Das ist in einem erzählenden Bild wie hier wunderbar zu sehen. Schauen sie sich das Gesicht der Dalila an! Die ist nicht eindimensional in ihrem Ausdruck. In diesem Gesicht liegen ganz unterschiedliche Gefühlsebenen.

Die ist eigentlich zunächst mal echt überrascht. Wie diesmal hast Du mir die Wahrheit gesagt? Es hat geklappt, du bist nicht mehr kräftig? Da ist ein Stück weit Triumph, da ist ein Stück weit aber auch Entsetzen, was hab ich gemacht, was passiert da gerade?

Also diese Melange, diese Mischung, die so einen Kopf nicht eindimensional aussehen lässt, sondern buchstäblich in Gefühlswerten vieldeutig, vielschichtig, das ist eben auch was, was Rembrandt perfekt kann und was er zeit seines Lebens auch mit Portraits, ja simplen Portraits hinbekommt. Diesen Figuren eine Präsenz, eine Lebendigkeit zu verleihen die bei vielen dieser Portraits uns heute als Betrachter 400 Jahre später eigentlich sagt, das ist ein interessanter Typ. Oder das ist eine interessante Person, in seiner Persönlichkeit, die würde ich eigentlich gerne mal kennenlernen, weil sie auch so aussehen, als könnten sie ihnen im Grunde auch auf der Straße begegnen.

Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Elke Estel/ Hans-Peter Klut Rembrandt, Harmensz. van Rijn Leiden 1606 – 1669 Amsterdam Ganymed in den Fängen des Adlers. 1635 Öl auf Leinwand; 177 x 129 cm Gemäldegalerie Alte Meister, Gal. Nr. 1558 Verwendung nur mit Genehmigung und Quellenangabe

NUN IST DAS JA SEHR DRASTISCH, WAS ER HIER DARSTELLT. KORRESPONDIERT DIESE DRASTIK NICHT AUCH ZU SEINEM GEMÄLDE VON GANYMED?

Ja, oder mit dem Bad der Diana. Rembrandt ist drastisch, Rembrandt ist nicht höfisch, verfeinert, ist nicht klassisch, ist nicht ein Anhänger einer Zurücknahme, sondern ganz im Gegenteil, er geht auf den Punkt. Er legt den Finger in die Wunde, oder er bohrt noch ein bisschen darin.

DAS ZEIGEN SIE AUCH UND DAS BEWEISEN SIE, INDEM SIE VAN DYCK DANEBEN STELLEN, DER VIEL HÖFISCHER IST.

Gut, wir haben in dieser Ausstellung ganz bewußt versucht, das Besondere an Rembrandt für die Besucherinnen und Besucher dadurch zum Ausdruck zu bringen, nachvollziehbar zu machen, selber visuell erlebbar zu machen, dass wir eben Rembrandt mit Werken seiner Zeitgenossen, Konkurrenten, Mitbewerber, Schüler, die dasselbe Thema behandelt haben, nebeneinander gehängt haben. Und dadurch ergibt sich wie hier in diesem Raum mit dem Van Dyck, der ja typischerweise auch einen ganz anderen Moment der Geschichte erzählt. Da wird kein Auge ausgestochen, sondern da werden gerade heimlich die Haare abgeschnitten. Samson schläft noch. Das ist typisch Van Dyck, dass er eher den Vorspann des Dramas schildert und klar, in höfischer Erwartung nicht gerade ein Auge ausgestochen wird und dies liebevoll vorgeführt wird.

NUN GIBT ES VIELE SELBSTBILDNISSE VON REMBRANDT UND ER IST DAFÜR BEKANNT. IST ER DER VORLÄUFER DERER, DIE SICH MIT SELFIES IN DEN SOCIAL NETWORKS PRÄSENTIEREN?

Ein Influenzier war Rembrandt auf eine Art schon. Er setzt Bildnis, er setzt Selbstbildnis, er setzt seine eigenen Gesichtszüge im Laufe seiner langen Laufbahn sehr vielfältig ein. Es gibt in der frühen Zeit in Leiden, als er aufsteigt sozusagen und ein gewisses Renommee erwirbt, aber noch nicht bekannt ist, da setzt er zum Beispiel den Blick in den Spiegel ein, um sein eigens Gesicht zu malen. Das Gesicht an sich war nicht bildwürdig, niemand hätte Interesse gaben, zu sagen, ich kaufe das Bild dieses 24-jährigen Malers, aber er setzt es ein, um zu trainieren, um zu üben, um zum Beispiel Grimassen zu machen. Ein erstauntes, ein entsetztes, ein schmerzhaftes Gesicht. Eine Miene, die sie ziehen, wenn sie etwas Bitteres trinken, also er grimassiert und er probt damit aber im Grunde genommen sehr subtil an den eigenen Zügen die Ausdrucksfähigkeit einer menschlichen Physiognomie.

Später, als er in Amsterdam angekommen ist und vor allem sein Geld zunächst verdient durch die Portraittätigkeit. Über die Portraitaufträge kommt er dann auch an die Kontakte, um große andere Bilder wie ein solches zu verkaufen.

Aber in Amsterdam malt er auch weiterhin Selbstportraits, die dienen aber dann einem anderen Zweck. Die dienen der Anschauung . Das hängt in der Werkstatt und das dient sozusagen potentiellen Kundinnen und Kunden. Er hält ja auch das Bild der Saskia daneben, seiner eigenen Frau. Als Anschauungsmaterial „So könnten Sie aussehen, wenn Sie sich von mir malen lassen!“.

IST DAS NICHT AUCH EITEL, SICH SO OFT SELBST ZU PORTRAITIEREN?

Also Rembrandt war mit Sicherheit seiner Rolle, seiner Bedeutung, seines Könnens uneingeschränkt bewusst. Und da ist auch ein Stück Eitelkeit drin. Also wenn sie an unser Kampagnenmotiv, das wunderbare Portrait aus Berlin denken, was ihn zu Anfang der 30iger Jahre, also wirklich auf dem Start seiner extrem großartigen Karriere zeigt, wo die Aufträge hereinkommen und das Geld hereinkommt, das zeigt einen total selbstbewußten und sicherlich auch einen ein bißchen selbstverliebten Künstler, ja.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669) Selbstbildnis, an einer Steinmauer lehnend, 1639 Radierung, 206 x 163 mm
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum

NUN GILT ER ALS UNIVERSALKÜNSTLER. WAS MACHT IHN DAZU?

Rembrandt ist ein universell tätiger Künstler, ein Universalist. Er ist kein Universalkünstler.

Der Begriff heftet eigentlich und zurecht einer Gestalt wie Leonardo an, der nicht nur malt, der im gründe genommen auch forscht, der wirklich ein Wissenschaftler ist. Das ist Rembrandt in dem Sinne nicht.

Aber Rembrandt ist ein Universalist, in dem Sinne eben, dass er auf diesem boomenden Kunstmarkt in Amsterdam, es ist der größte in Europa zu dem Zeitpunkt, da entstehen hunderte und aberhunderte von Bildern, jedes Jahr, da sind Duzende von Künstlern tätig. Viele von denen machen’s the easy way. Die sagen sich, ich kann gut Portrait, und dann malen sie den Rest ihrer Karriere Portraits. Von der Stange. Und andere sagen, oder sind besonders talentiert in der Darstellung des Nicht Lebendigen, die malen Stilleben. Und die spezialisieren sich dann unter Umständen noch weiter, dann gibt’s jemanden, der malt nur Salzwasser-Stilleben, oder ein anderer, der malt nur Süßwasser-Stilleben. Spezialisierung ist eigentlich angesagt und da ist Rembrandt jemand, der sagt, nein mich interessiert alles und außerdem hey, ich kann auch alles. Und er probiert auch alles aus.

Andererseits, das ist wiederum typisch für ihn, wenn er ein Stilleben malt, baut er ein Kind als Zuschauerin mit ein. Im Grunde so etwas wie Genre, wie Alltagsszene. Die Bilder sind vielfach in ihrer gattungsmäßigen Korrektheit schon durchlässig, das zeigt auch seine Freude am Experimentieren, am Spielen und am Vorführen.Ich kann das! Ich mache keine Vorlage nach, ich erfinde das jedes Mal neu.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669)
Bildnis eines stehenden Mannes (Andries de Graeff), 1639
Öl auf Leinwand, 199 x 123,5 cm
Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister Foto: Ute Brunzel

WAR ER EIN ALLESKÖNNER?

Er war ein Alleskönner, absolut.

SIE FOKUSSIEREN AUF DIE ERFOLGREICHEN JAHRE REMBRANDTS. IMMERHIN IST DAS ENDE SEINER KARRIERE NICHT SO GLANZVOLL . HAT DAS DAMIT ZU TUN, DASS IHR MUSEUM IN EINER BANKENMETROPOLE STEHT, WO ERFOLG GROSSGESCHRIEBEN WIRD, EIN MUST SOZUSAGEN?

Nein, das hat damit zu tun, dass es in den letzten Jahren sehr viele Rembrandt Ausstellungen gab, die andere Schwerpunkte hatten. Die sich bedeutenden Werken der Spätphase gewidmet hatten, aber merkwürdigerweise ist eben diese mittlere Zeit, die mit dem Aufstieg Rembrandts verbunden ist, bisher in keiner großen Ausstellung gezeigt worden,

Wir haben im Städel mit der Blendung und mit dem kleinen David, der die Harfe vor Saul spielt, zwei Werke, die in diese Phase fallen, also das war von daher auch logisch, zu sagen, man macht das. Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund.

Der Grund warum Rembrandt so atemberaubend erfolgreich in diesen 30iger, 40iger Jahren ist in Amsterdam, glaube ich liegt auch daran, dass er wie ein Schlüssel ins Schloss die Erwartung der Zeit und die Erwartungen des holländischen Publikums getroffen hat. Und zwar in einer Hinsicht. Es ist eminent bürgerlich, es ist nicht höfisch. Und Rembrandt wird auch nie höfisch.

Ab der Mitte des Jahrhunderts, ab den 50iger Jahren also beginnend, wollen die Niederländer die bis dahin extrem gefährdete, auch politische, wirtschaftliche und vor allen Dingen militärische Unabhängigkeit der nördlichen Provinzen gegenüber dem immer noch von Süden her grimmig guckenden Spanier, die gerne wieder die Herrschaft zurückholen wollen, verteidigen. Als dann in der Mitte des Jahrhunderts die Selbstständigkeit gesichert ist, da beginnen auch die Holländer Geschmack am Höfischen zu gewinnen. Vorher war höfisch eher assoziiert mit Habsburg, mit den Unterdrückern, die wollte man loswerden.

Also das Bürgerliche , was in vielen Bilder Rembrandts auch auftaucht, dieses Naturalistische, dieses genau Hinguckende, dieses Beschreiben auch von dem, etwa von Stoff, von kostbaren Textilien, die die anhaben, das ist ja auch das, womit die auch handeln, also damit glaube ich, traf er einen Nerv der Zeit, 

der nicht mehr funktioniert im Spätwerk. Da entwickelt sich Rembrandt weiter, er macht sein Ding, und er fängt an, die Farbe mit dem Spachtel aufzutragen , das wird pastos, das sind richtige Farbbahnen geradezu, die er aufträgt. Es ging ihm nicht mehr um genaue Abbildung. Das Erzählerische bleibt und das eminent Malerische bleibt, aber er fällt damit aus der Zeit, die Klassizismus schätzt.

MIT DEM BÜRGERLICHEN PASST ER BESTENS IN DIE BÜRGERSTADT FRANKFURT.

Das ist richtig. Aber er passt auch in unsre Zeit. Rembrandt mag man so gerne, weil wir in einer bürgerlichen, sagen wir mal post bürgerlichen Gesellschaft leben.

VIELEN DANK FÜR DAS INTERVIEW HERR PROFESSOR SANDER

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669) Judith am Bankett des Holofernes, 1634
Öl auf Leinwand
143 × 154,7 cm
Museo Nacional del Prado, Madrid
Foto: Museo Nacional del Prado, Madrid